Wie das Nervensystem belastende Erfahrungen verarbeitet
- Janine Baumann

- 22. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Nov.
Und warum EMDR dabei ein so wirksamer Weg sein kann
1. Warum Verarbeitung hängenbleibt
Manche Erfahrungen werden im Inneren nicht als „Vergangenheit“ abgespeichert, sondern bleiben offen, unverbunden, eingefroren – oft sehr weit entfernt von bewusster Erinnerung.
Das kann passieren, wenn ein Erlebnis:
zu viel
zu schnell
zu einsam
zu bedrohlich
zu schmerzhaft
oder zu verwirrend
war – und das Nervensystem keine Möglichkeit hatte, es richtig zu integrieren.
Dann bleibt ein Teil der Erfahrung im Körper, in den Gefühlen oder im Denken aktiv, und taucht im Heute wieder auf:
durch Trigger
durch Stress
durch innere Härte
durch Überforderung
durch alte Muster
durch Beziehungsschwierigkeiten
Trauma ist nicht das, was damals passiert ist. Trauma ist das, was heute noch wirkt, weil es damals zu viel war.
2. Was EMDR ermöglicht – Bewegung in festgehaltene Erfahrungen
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ist eine wissenschaftlich fundierte Methode, die das Nervensystem dabei unterstützt, solche festgehaltenen inneren Informationen zu verarbeiten.
Es nutzt bilaterale Stimulation (Augenbewegungen, Töne oder sanftes Tippen), die ähnliche Verarbeitungsmechanismen aktiviert wie in der REM-Schlafphase.
Dadurch kann das Gehirn:
überlastete Emotionen regulieren
fragmentierte Bewegungen zusammenfügen
Sinn, Orientierung und Zusammenhang herstellen
alte daraufliegende Schutzreaktionen lösen
Ohne zu überfordern und ohne dich hineinzuziehen in etwas, das dich früher überwältigt hat.
3. Arbeit im Hier und Jetzt – sicher, reguliert, präsent
In EMDR arbeiten wir nicht zwingend mit alten Szenen. Wir arbeiten mit dem, was heute fühlbar ist:
Körperreaktionen
Gedanken
Emotionen
Beziehungssituationen
Überlebensstrategien
Trigger und Stresspunkte
Das ist oft viel sicherer, klarer und tiefgehender.
Viele Menschen sind überrascht, wie stabil EMDR sein kann, wenn es traumasensibel eingesetzt wird.
4. Wenn Rückverbindungen entstehen – Ursprung eines Musters verstehen
Manchmal zeigt das Nervensystem von selbst den Ursprung eines heutigen Musters.Das geschieht:
spontan,
organisch,
niemals erzwungen
und nur dann, wenn genug Halt da ist.
Diese Rückverbindungen sind ein Zeichen dafür, dass dein Inneres bereit ist, etwas zu integrieren, was lange getrennt war.
Aber:EMDR muss nicht zu alten Bildern führen, um tief zu wirken.
5. Wie EMDR im Gehirn & Nervensystem wirkt
Während der bilateralen Stimulation werden verschiedene Ebenen aktiviert:
emotionale Zentren (Amygdala, limbisches System)
gedankliche und bewertende Ebenen (präfrontaler Cortex)
körperliche Speicher (somatische Marker)
Bindungs- und Beziehungssysteme
EMDR stellt Verbindungen her, die vorher getrennt waren:
das Gefühl mit dem Körper
die Erinnerung mit dem Heute
die Reaktion mit einer neuen inneren Haltung
So verliert die Erfahrung ihre Schärfe – nicht ihren Inhalt, aber ihre Belastung.
6. Ressourcen, die heute wachsen können
Viele Schutzstrategien entstanden, weil damals etwas gefehlt hat:
Schutz
Unterstützung
Halt
Trost
Orientierung
ein Gegenüber
Sicherheit
EMDR hilft, diese Ressourcen heute nachzuentwickeln. So entsteht innere Kraft, die unabhängig von alten Mustern funktioniert.
7. EMDR ist Arbeit – und darf berühren
EMDR ist kein technisches Werkzeug.Es ist ein Prozess, der das Innere bewegt.
Es kann Momente geben, in denen Tränen fließen — nicht aus Drama, sondern aus Entlastung.
Es gibt oft Momente von Erstaunen, wenn ein Zusammenhang plötzlich klar wird.
Und viele erleben das warme, helle Lachen, das entsteht, wenn Anspannung loslässt und das Nervensystem in etwas Leichteres rutscht.
EMDR kann sanft sein.Es kann tief sein.Es kann überraschend leicht sein.Und es ist immer ein Stück echte innere Arbeit.
8. Das 8-Phasen-Modell – klare Struktur, hohe Sicherheit
Anamnese & Beziehung
Stabilisierung & Vorbereitung
Fokussierung auf heutigen Trigger oder inneres Bild
Bewertung (SUD/VOC)
Desensibilisierung (bilaterale Stimulation)
Integration hilfreicher Informationen
Körpertest / Nachspüren
Abschluss & Orientierung
Diese Struktur sorgt dafür, dass EMDR nicht chaotisch, unkontrolliert oder überfordernd wird.

Ressourcenentwicklung – was damals gefehlt hat, wächst im Heute
Oft zeigt EMDR sehr genau, welche Ressourcen früher nicht verfügbar waren:
Schutz
Selbstwirksamkeit
Trost
Unterstützung
Orientierung
Bindung
innere Stärke
Diese können heute nachentwickelt und integriert werden. Das macht EMDR zu einer besonders wirksamen Methode bei:
Entwicklungstrauma
Bindungstrauma
Beziehungsmustern
Überlebensstrategien
dysreguliertem Nervensystem
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10. Für wen EMDR geeignet ist
EMDR unterstützt Menschen bei:
Entwicklungstrauma
Bindungstrauma
Beziehungsmustern
emotionaler Überlastung
Triggerreaktionen
Funktionsmodus & Burnout
somatischen Erinnerungen
Ängsten, innerer Härte oder Scham
Es kann stabilisierend oder verarbeitend sein – je nachdem, was dein Inneres gerade braucht.
11. Wie ich EMDR einsetze – meine therapeutische Haltung
Ich nutze EMDR nie mechanisch. Nie als „Tool“. Nie als etwas, das man einfach abspult.
Ich setze es ein, wenn:
dein System genug Halt hat
du stabil genug bist
dein Inneres bereit ist
und der Prozess zeigt, dass EMDR hilfreich ist
Der Weg entsteht gemeinsam – nicht nach Methode, sondern nach dir.
EMDR ist eine Möglichkeit.Eine sehr wirksame. Aber nicht die einzige.
Im Zentrum steht immer dein innerer Weg – und die Form der Begleitung, die sich für dich richtig anfühlt.


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